Montag, 25. Juni 2018

Echte Typen

Endlich! Die WM hat nun auch für den Weltmeister angefangen. So scheint es zumindest. Gegen Mexiko stimmte nichts. Weder die Einstellung noch das Ergebnis. Doch am letzten Samstag als wir gegen Schweden spielten, da war es wieder zu spüren: dieser Kampfgeist und absolute Siegeswille, der uns vor vier Jahren zum Weltmeister machte. Die Mannschaft strotze vor Selbstvertrauen. Und einer ganz besonders: Toni Kroos. Eigentlich ein Mann der leisen und besonnen Worte. Immer beherrscht, diszipliniert und fair. Am Samstag war er der Führungsspieler den Deutschland brauchte. Ein echter Typ eben, der auch nach dem Spiel deutliche Worte fand. Aber alles von Anfang an und der Reihe nach.
Die erste Halbzeit war zum Vergessen. Auch für Toni Kroos. Er spielte in der 32 Minute den fatalen Fehlpass, der sofort bestraft wurde. Schweden blieb eiskalt und ging in Führung. Dass Sebastian Rudy mit blutender Nase vom Platz musste, blieb am Ende der ersten Hälfte eher eine Randnotiz.
Doch der Weltmeister kam wieder – und wie. Marco Reus brachte unser Team zurück ins Spiel und traf zum 1:1. Dann nahm die Partie erst richtig Fahrt auf. Die Deutschen verschärften das Tempo, blieben allerdings nicht fehlerfrei. Aber Körpersprache und vor allem Einstellung stimmten nun endlich. Doch nach neunzig Minuten war man durch Boatengs Platzverweis nur noch zu zehnt und fast aus dem Turnier raus. Aber unsere Jungs warfen alles rein, was sie hatten, und gingen am Ende als verdiente Sieger vom Platz – dank Toni Kroos. Aus einem fast unmöglichen Winkel verwandelte er in der 95 Minute zum 2:1. Es war ein absolutes Traumtor.
Wie eingangs erwähnt, fand der Spielmacher auch nach dem Sieg deutliche Worte. Angesprochen auf seinen Fehlpass aus der ersten Hälfte entgegnete er: „Wenn du im Spiel 400 Pässe spielst, dann kommen zwei nicht an.“ Und er machte klar, dass es nicht um Fehler geht, sondern um die Art, wie man damit umgeht. Toni Kroos formulierte es allerdings eher so: „Du musst dann auch die Eier haben, dann so eine zweite Halbzeit zu spielen.“
Spielerisch und verbal selbstbewusst: das kennt man eigentlich von einem ganz Anderen, der an diesem Abend nicht dabei war. Die Rede ist, wie kann es anders sein, von Zlatan Ibrahimovic. Wie die Niederlande und Italien hatte auch er es nicht zur WM geschafft. Leider muss man sagen. Denn der Fußball lebt von eben diesen Spielern, die sich alles zutrauen und alles sagen. Sie sorgen für Spannung und Dramatik, bringen uns zum Staunen und manchmal zum Verzweifeln. Immer polarisierend, immer an der Grenze. Auf dem Platz und daneben. Echte Typen halt.
2014 sagte Ibra einmal, dass man eine WM ohne ihn eh nicht sehen muss. Allerdings wäre das am Samstagabend wirklich schade gewesen. Denn dann hätte man auch diesen „zlatanierenden“ Toni Kroos verpasst. Führungsspieler und – um es mit so bescheidenden Worten wie Zlatan zu sagen – nebenberuflicher Fußballgott.

Text: Carsten Wodtke (Idee von Maik Fischer)
Illustration: Marc Lewis Ramage

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