Montag, 14. Juni 2010

Nie mehr allein


Für die nächsten vier Wochen sind meine sozialen Kontakte gesichert. Eröffnungsspiel mit stimmungsgeladener Grillparty, kollektives Gähnen bei Uruguay : Frankreich in der kurdischen Kneipe (ja Wuppertaler, natürlich das Hayat) nebenan, gemütliches Abhängen bei England gegen die US-Boys zuhause auf der Couch und schließlich das Wochenend-Highligh Deutschland : Australien in großer öffentlicher Runde.

Die Zeiten zwischen den Spielen verbringe ich mit Diskussionen über Favoriten, Außenseiter, Taktiken und je nach Geschlecht der Gesprächspartner finden noch Themen wie Schnitt der Trikots, das Aussehen der Protagonisten im Allgemeinen und die Haartracht im Besonderen Eingang unseren Fachdiskurs.

Die Kompetenz und das Auftreten der Moderatoren, Kommentatoren und Fachleuten stehen natürlich auch unter besonderer Beobachtung. Sehr gut hat mir in diesem Zusammenhang gefallen, dass Reinhold Beckmanns Anzug original so aussah, wie die Kollektion der argentinischen Nationalmannschaft (elegantes Grau). Wahrscheinlich konnte Beckmanns Outfit auch schon aus dem geschneidert werden, was beim Anzug für Diego Maradona abfiel. Argentiniens (Fußball) Gott hat ja wirklich die kürzesten Beine auf denen je ein Sportler laufen konnte. Kein Wunder, dass er seine Hand mit ins Spiel bringen musste. Aber ich will nicht abschweifen: Beckmanns Gegenüber dagegen, der von mir sehr geschätzte Mehmet Scholl, wurde allerdings wahrscheinlich im Not-Fundus der ARD eingekleidet. Scholl kommt sonst in seinen T-Shirts wirklich lässig und cool rüber, aber diese Hemd-Pullover-Kombination hat sicher schon Friedrich Nowottny in ganz frühen Fernsehtagen getragen.

Beim ersten Spiel unserer Elf war natürlich richtig Stimmung in der Bude. Meine versammelte Fußball-Peergroup fieberte für Deutschland. Moment? Wirklich meine ganze Familie und alle Freunde? Wer ist der junge Mann im Italien-Trikot, der lautstark für Australien schreit? Ist das wirklich mein Sohn? Kann ich dieses Verhalten wirklich nur auf den Erbteil des Vaters schieben? Muss ich mir vorwerfen ihn doch zu interkulturell erzogen zu haben (Döner, Pizza, Hamburger)? Ich bin ratlos und froh durch ein Tor von Poldi abgelenkt zu werden. Wir mögen den Poldi! Der ist noch so ein richtig echter Fußballer. So ganz ohne den Versuch eines intellektuellen Schnörkels und das spacke Trikot steht ihm doch ganz gut. Und so geht die Fußballparty unbeschwert weiter – für Erziehungsfragen ist es ohnehin zu spät.

Autorin: Marion Roemer, Foto: Daniela Höhmann

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