Mittwoch, 18. Juli 2018

Catenaccio 2.0



Der Tod des schönen Fußballs
 Otto Rehhagel sagte einmal: „Modern spielt, wer gewinnt.“ Ein Statement, das diese Tage auch gut von einem anderen hätte kommen können: Didier Dechamps – Der Weltmeister – als Spieler und jetzt auch als Trainer – musste sich im Laufe des Turniers schon des Öfteren wegen seiner – leicht defensiven – Spielweise rechtfertigen. Doch was soll man denn sagen, es stimmt ja. Nüchterner Ergebnisfußball schlägt Leidenschaft und Individualismus. Die Zeiten von Hacke, Spitze, eins, zwei, drei sind passé. Jetzt wird Beton angerührt. In der Praxis sieht das dann so aus: die Mannschaft die 1:0 führt steht mit fast allen Feldspielern im eigenen Strafraum, holzt den Ball nach vorne und hofft, dass ein Konter eingeleitet wird. Die andere Mannschaft spielt derweilen verzweifelt und einfallslos um den Sechzehner herum und kommt nicht zum Abschluss. Auf das Elementarste runtergebrochen könnte man auch sagen: „Die einen können nicht, die andern wollen nicht.“ Spielaufbau ist out – Spiel zerstören ist angesagt. 
Und wenn man jetzt nicht unbedingt Franzose oder irgendsoein Taktikfuchs ist, dann könnte man anfangen zu weinen. Denn: es ist in 90 Minuten gepresste Langeweile und eine solche Qual, dass man sich zum Hinsehen zwingen muss. 
Eigentlich dachte ich, dass Catenaccio im Jahr 2018 das Relikt einer dunklen Vergangenheit ist. Doch wider Erwarten hat diese Spielweise eine Renaissance erlebt. Im Grunde unvorstellbar und fast ironisch in Zeiten von Guardiola und Co.: Fußballphilosophen, die Ballbesitz predigen und sich selbst als Verfechter des schönen Fußballs verstehen. Allerdings konnte ihre Spielweise, wenn man ganz ehrlich ist, in den letzten Jahren keine großen Erfolge mehr auf internationaler Bühne feiern. Die Champions League wurde in den letzten Jahren von einem bärenstarken Real Madrid dominiert, die den Konterfußball perfektioniert haben. Und ein sehr defensiv eingestelltes Portugal wurde 2016 Europameister gegen – und hier schließt sich der Kreis – Frankreich. Denn les bleus haben fast genau so gespielt, wie ihre Gegner von vor zwei Jahren. Dechamps hat also gelernt … und gewonnen.
Was bleibt ist der Equipe Tricolore zu gratulieren und gleichzeitig zu hoffen, dass es bald wieder spannend und schön wird. Ich für meinen Teil will endlich wieder Hackentricks, Übersteiger und Tiki-Taka sehen. Denn – machen wir uns doch nichts vor – Fußball soll doch unterhalten.

Illustration: Marc Ramage
Text: Carsten Wodtke

Montag, 16. Juli 2018

Panini Bilder – Sammeln eine Investition in die Zukunft.



Ich weiß nicht so recht, ob ich zum überzeugten Panini Bildchen Sammler und Kleber werde. Man investiert doch schon eine Menge Zeit: Kaufen, Aufreißen, Sortieren, Einkleben – na und Tauschen (mit anderen Sammlern) bestenfalls. Zum Glück bekomme ich von Merlin, einem versierten Panini-Heft-User, für meine Panini-Premiere generös seine doppelten Bildchen zur Verfügung gestellt. 

Da sitze ich also vor zwei Stapeln Bildchen – anerkennend muss dann noch erwähnt werden, dass diese schon mal von Merlin einigermaßen vorsortiert sind. Ich verbringe trotzdem eine ganze weitere Stunde damit, weiter nach Ländern zu sortieren, um dann in genau zwei Stunden, 15 Minuten und 45 Sekunden 387 Bildchen Doppelseite für Doppelseite, Land für Land ordentlich aufzukleben. Ich will das Heft ja schließlich für die Agentur zu einem wertvollen Sammler Gegenstand machen (so für schlechte Zeiten …).

Na, ja – das Heft ist jetzt ungefähr zur Hälfte gefüllt und ich habe immer noch einen ganzen Stapel mit doppelten Bildern vor mir. Komischerweise habe ich von einigen Spielern extrem viele doppelt – so dass ich mir die Frage stelle, ob die einzelnen Bilder tatsächlich in unterschiedlichen Auflagen produziert werden, damit es auch spannend bleibt und man geneigt ist, noch mehr zu kaufen? Und überhaupt, wie viel Geld investiert man denn da jetzt so, bis das Ding voll ist? Und: schafft man überhaupt, es jemals komplett zu füllen – so ohne tricksen und Einzelbildchen nachbestellen?

Im Internet lese ich, dass Prof. Paul Harper, Mathematik-Professor der Cardiff University errechnet hat, dass man durchschnittlich 4.832 Sticker oder umgerechnet auf Tütchen, 967 Panini-Tütchen erwerben muss, damit das Heft komplett voll wird. Das macht zurzeit, bei einem Tüten Preis von 90 Cent ca. 870,30 € – eine echt kapitale Anlage! Der Professor hat allerdings den kommunikativen Aspekt des Tauschens von Sammelbildern nicht berücksichtigt – in meinen Augen ein sehr wichtiger Faktor des Sammelns von Dingen überhaupt!

Alles Mögliche wird von Menschen gesammelt: Briefmarken, Fotos, Kunst, Autos, Weisheiten, Freunde, Zeitungsausschnitte, Designermöbel, Porzellan, Mode, Insekten oder Schmuck. Das Motiv von Sammlern? Sammler sammeln, weil sie damit zeigen, dass sie etwas haben, was andere nicht haben, sie sammeln, weil sie damit materiellen oder ideellen Besitz anhäufen oder damit für harte Zeiten vorsorgen, sie sammeln, weil sie sich für ein Thema besonders interessieren und alles darüber besitzen oder wissen wollen, sie sammeln vielleicht auch, weil sie auf diese Weise andere Menschen treffen, die die gleichen Interessen haben.

In meinem Leben sind mir schon viele Sammler begegnet: Kaurimuschel-Sammler, Getränkedosensammler, Münzsammler, Gesteinssammler und Schallplattensammler – die beispielsweise nur Vinyls einer einzigen Band in unterschiedlichen Pressungen aus verschiedenen Ländern sammeln. Die Faktoren Zeit und Kommunikation spielen bei den meisten Sammlern eine große Rolle. So brauchen manche Sammler ein ganzes Leben um Ihre Sammlung zu vervollständigen – manchmal bleibt die Sammlung aber auch unvollständig.
Sammler kommunizieren mit anderen Sammlern. So auch eine Kundin von uns, die mir im Rahmen dieser Fußball WM erzählte, dass sie die Fußball Sammelbildchen von Rewe sammelt und die doppelten auf postalischem Wege mit Ihrem Lieblingsonkel austauscht – ich finde es toll, wenn die Sammlung dazu führt, sich miteinander auszutauschen.
Das Besorgen der letzten 19 Bilder im Panini Heft dauert – laut Aussagen von Professor Harper – genauso lange, wie das Sammeln der 663 Sticker davor. Na da haben wir ja noch was vor! Und einem bereits beendeten Angebot von Ebay entnehme ich, dass ein komplett geklebtes und ohne Eintragungen versehenes Panini Album der WM 1974 (da war ich gerade ein paar Monate alt) bei 47 Geboten 360,50 € gebracht hat – nicht schlecht aber natürlich kein Vergleich zu investierten rund 870 € – Inflation jetzt nicht mit eingerechnet. Damit ich zur passionierten Panini-Sammlerin werde, sollte der Verlag allerdings erst mal die Aufkleber optimieren. Ich brauche 21,04 Sekunden pro Motiv, um das Trägerblatt des Aufklebers abzuknibbeln und das Bild aufzukleben, nur weil auf der Rückseite der Trägerfolie des Aufklebers die praktische Nutung fehlt, die es dem Nutzer erleichtert, den Aufkleber von der Trägerfolie abzuziehen. Ergo: Panini ist Kult, aber nicht User-optimiert.

Text: Daniela Höhmann
Illustration: Marc Ramage

Donnerstag, 12. Juli 2018

Statistisch gesehen …



Als promovierter Wirtschafts- und studierter Sozialwissenschaftler wird man in seinem Freundes- und Bekanntenkreis A) gerne als Herr Dr. angeredet (nein, ich bin kein Arzt) und B) für vieles Unerklärliche zu Rate gezogen (teilweise komplett unabhängig von meinem Studien- bzw. Dissertationsthema > nein, ich bin kein Biologe). Allerdings habe ich mir über die Zeit etwas angeeignet, was neuerdings unter dem Thema 'Achtsamkeit' die Management-Gazetten füllt und das Unternehmensberatersprech 'auf eine neue Stufe' hebt, nämlich „der zweite Blick“ (alias: Beobachtung bzw. Befragung).

Ist euch eigentlich aufgefallen, was sich im den letzten 50 Jahren auf den Fußball-Plätzen der ganzen Welt geändert hat? Genau, die Regeln. Sicherlich auch die Spielkultur.

Aber was hat sich direkt messbar und auch ’sehbar’ geändert? Wie im Übrigen in der Grundgesamtheit (hier: die Weltbevölkerung) auch?

Na?

Die Spieler sind größer geworden, also auch der Torwart (deskriptive Daten fehlen mir, aber die extrapoliere ich – ich darf das). Der Effekt ist, dass weniger Tore fallen, weil größere Torwarte weniger Fläche zu verteidigen haben, ceteris paribus (schnell googlen).

Achtung! Jetzt hier nützliche Wissenschaft (nicht nur Insights, sondern auch Impact):

Wollt ihr mehr Tore sehen (darum ging’s doch eigentlich im Fußball, oder? < Zielvariable), dann macht die Tore größer (< Exogene Variable)!

Eurer

Manni Kaltz (der mit der B-Flanke)



Text: Dr. K
Illustration: Marc Ramage

Mittwoch, 11. Juli 2018

Und dieser Ball erst!


Der Ball ist rund und ein Spiel geht 90 Minuten. So viel ist klar. Aber wusstet ihr, dass es für jede WM einen neuen Ball gibt? Tatsächlich entwickelt ADIDAS seit der WM 1970, in Mexiko, alle vier Jahre ein neues Spielgerät.

Dabei wird der Ball nicht nur visuell aufgemöbelt: Dieses Jahr erhielt der Telestar 18 – so heißt das gute Stück – auch ein neues Panel-Design und eine optimierte Oberflächenstruktur. Alles um bestmögliche Spielbarkeit herzustellen.  Spitzenmannschaften wie Real Madrid oder Manchester United konnten das Leder vorab umfangreich testen.

Das Design des neuen Balls ist klar an das Exemplar von 1970 angelehnt. Damals stand vor allem die Sichtbarkeit im Schwarz-Weiß-Fernsehen im Vordergrund.
Darüber hinaus wurde auch auf Nachhaltigkeit bei der Produktion viel Wert gelegt: so wurden z.B. recycelte Materialen für die Verpackung verwendet.
Und Achtung, der Ball hat’s – im wahrsten Sinne des Wortes – in sich! Mit Hilfe eines integrierten NFC-Chips können Fans via Smartphone personalisierte Inhalte abrufen und mit einer weltweiten Community interagieren.
Ein echtes technologisches Wunderwerk. Kaum zu glauben, dass man an einem Ball, der rund ist, so viel ändern kann.

Fürs Erste war es das von mir. Also bis bald auf unserem Blog.

Autor: Fabian Schilling
Illu.: Marc Ramage

Dienstag, 3. Juli 2018

Gegen den Ball spielen


Dieses große Fußballereignis bringt ein seltsames Phänomen mit sich. In geradezu irrationaler Geschwindigkeit eignet sich unser Gehirn völlig unnützes Wissen an. Wir kennen alle Namen des deutschen Kaders, der Betreuer, wahrscheinlich noch die Namen der Spielerfrauen, sind aber kaum in der Lage die Namen der aktuellen Kabinettsmitglieder aufzuzählen. Leider funktioniert dieses Phänomen nur im Fußballkontext und nicht beim Vokabellernen. 
Nach dem Scheitern der Nationalelf fallen uns besonders schnell die Namen der vermeintlichen Schuldigen ein. Schland ist raus. Und irgendjemand muss den schwarzen Peter haben. Von Löw bis Bierhoff sind alle Namen gefallen: Özil, Khedira oder Hummels, der den entscheidenden Kopfball nicht reingemacht hat. Inwieweit Horst Seehofers Rücktritt als Sportminister mit dem Ausscheiden der Nationalelf zusammenhängt, ist noch unklar. Ebenso wie die Politik ist der Fußball das Reich der großen Pauschalsätze. „Sich reinhängen“, „aus der Tiefe des Raumes gegen den Ball spielen“ und „Verantwortung übernehmen, alles geben“. Hat offenbar nicht funktioniert. Und ehrlich gesagt, ich bin ein wenig erleichtert. Noch so ein Spiel wie gegen Schweden hätte mich echt gefordert – nervlich und konditionell. Wir hatten in den vergangenen Jahren viel Spaß mit dieser Mannschaft, die 2010 erfrischend aufspielte und von der wir damals gar nicht so viel erwarteten. Wir haben großartige Spiele gesehen, gegen Portugal, gegen Argentinien, gegen Brasilien. Jetzt sind halt mal die anderen dran – die Kroaten, vielleicht die Engländer oder wie wäre es mal mit der Schweiz als Weltmeister? 
Freuen wir uns auf unterhaltsame, nicht minder nervenaufreibende Spiele. Darüber, dass erwachsene Männer sich mit vorgehaltener Hand Geheimnisse anvertrauen, eine Technik, an der ich bereits in der 3. Klasse während eines Mathetests gescheitert bin. Und über die Lieferanten des unnützen Wissens, das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Dieses besinnt sich wieder auf seine Kernkompetenz und nach monatelangen Wiederholungen von „Stachelschwein, Amsel und Gnu“ werden knallharte Fakten geliefert und ganz wichtige Fragen beantwortet: „ Wie viele Standards braucht man bis zum Tor?“, „Fallen Tore eher wenn sich der Torschütze vorher ans rechte Ohr gefasst hat?“ oder „Wann wird der Rundfunkbeitrag für den Videobeweis erhoben?“ Am besten gefällt mir das neue Dreigestirn des ZDF: Oliver Welke, Oliver Kahn und Holger Stanislawski – oder, wie Oliver Welke ihn zärtlich nennt, „der Stani“. Virtuos erklärt letzterer virtuell, warum jenes Tor fallen konnte und jenes nicht. Jede Mannschaftsbewegung vom Toilettengang bis zur Trinkpause über die Einwechslung wird analysiert und diskutiert. Wenn diese Technik nur ein paar Tage für die Koordination der Arbeiten am Flughafen BER genutzt würde, nächste Woche wäre Eröffnung.

Text: Judith Müller-Krohn
Illustration: Marc Ramage

Donnerstag, 28. Juni 2018

Marco 31.05.1989


Aus. Vorbei. Mal wieder fährt ein Weltmeister nach der Vorrunde nach Hause. Diesmal Deutschland. Die letzten Tage haben wir noch mit einem italienischen Fan darüber gefachsimpelt, wie es denn so sei: eine WM ohne eine eigene Mannschaft im Wettbewerb. Zugegeben, etwas leicht Überhebliches lag dieser Unterhaltung von meiner Seite bei. Nun denn; aber sofort kann ich mir die Antwort selber geben. Aber, was soll’s: Vor uns liegen noch spannende Spiele, hoffentlich noch einige Überraschungen und wir, und das ist nicht zu unterschätzen, können uns weiterhin an den unglaublichsten Tattoos der Spieler erfreuen.

Ein Hammermotiv in Reihen der deutschen Spieler für mich war eindeutig das unterarmfüllende Tattoo von Marco Reus: MARCO inklusive Geburtsdatum. Der Mann geht auf Nummer sicher, denn haufenweise Fußballer mussten die Namen temporärer Lebenspartnerinnen oder nicht so gut gelungenen Motive schon überstechen lassen und nicht immer ist das Cover-up so richtig super. Ich denke da zum Beispiel an Lionel Messi, dessen legendäres linkes Bein mittlerweile vom Knie abwärts fast vollständig schwarz ist. Lediglich eine Babyhand seines Sohnes, die Trikotnummer 10 und ein Fußball sind noch zu erkennen: Black Art.

Die Tattoos als Gesamtkunstwerk an Jerome Boateng haben mir dagegen gut gefallen. Der Mann ist sowieso meine persönliche Stylingqueen und hat außer seiner Brillenkollektion, einiges an Körperbildern zu bieten: vom Familienstammbaum bis zum Weltpokal.

Ricardo Quaresma steht als Rechtsaußen im Kader der portugiesischen Nationalmannschaft und zählt zu den zutätowiertesten Fußballstars. Wie viele seiner Kollegen demonstriert er damit auch Familienverbundenheit – in seinem Fall, durch ein Porträt seiner Mutter auf seiner linken Wade. Weltweit mediale Beachtung verschafften ihm aber seine kleinsten Tattoos: zwei Tränen im Gesicht. 
Die Bedeutungsinterpretationen reichen von Trauer über Zugehörigkeit zu einer Gang bis hin zu einem Mordgeständnis. Quaresma schweigt.

Längst haben sich Tattoos aus dem Umfeld der Matrosenromantik, Motorradgangs und Haftanstalten befreit. Die Ballkünstler sind auch nicht unbedingt Trendsetter, sondern folgen dem gesellschaftlichen Trend. Die Tattoodichte im Weltfußball ist auf jeden Fall extrem hoch, ganz selten sehen wir noch Haut pur. Aber es gibt sie noch, die nicht-tätowiertenKicker und das sind nicht unbedingt die schlechtesten: nehmen wir beispielsweise Cristiano Ronaldo.

Auch in Deutschland gibt es noch Ausnahmen. Nach Schätzungen der "Vereinigung tattooloser Frauen und Männer in Deutschland" leben über 10 Prozent der Profifußballer in Deutschland untätowiert. Einer davon: Mats Hummels (leider schon wieder auf dem Weg nach Hause, schade!).


Text: Marion Roemer
Illustration: Marc Ramage

Dienstag, 26. Juni 2018

Sport, Spiel, Spannung


Im zweiten Gruppenspiel standen unsere Jungs bereits unter Druck: Eine Niederlage und wir wären sang- und klanglos nach Hause gefahren. Win oder loose, bleiben oder gehen, Crunchtime. Hochspannung für die Zuschauer.

In diesem Spiel lagen, wie so oft bei diesem Ballsport, Glück und Unglück nah bei einander. Guter Anfang, doch nichts Zählbares. Kolletive Freude bei allen Schwedenfans in der 32sten Minute beim 1:0 – schieres Entsetzen auf der deutschen Seite. Hoffnung keimte auf in der 48sten Minute – der Ausgleich durch Marco Reus. Unentschieden. Erstmal durchatmen, noch genug Zeit für den Siegtreffer. Doch die Minuten verstrichen und Boateng musste runter. Ausgerechnet. Boateng, der voller Tatendrang nach vorne ging und antrieb. Dann also zu zehnt. Hoffen, dass man nicht noch verliert.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt fiel unsere kleine private Fangemeinde auseinander. Immer mehr meiner Freunde hielten es nicht mehr aus. Zuschauen – unmöglich. Raus auf den Balkon oder in die Küche, die Ohren ängstlich Richtung Fernseher ausgerichtet.
Dann die 95ste Minute, wenige Sekunden vor Ablauf der Nachspielzeit:  Kroos legt sich den Ball zurecht, kurz zu Reus und zurück. Die wahrscheinlich letzte Aktion des Spiels und: er zirkelt das Leder ins Eck. Kroos! 2:1. Sieg. Unfassbare Erleichterung. Fast ungläubiger Jubel.

Genau so muss Fußball sein: spannend bis zum Schluss, viele tolle Szenen, Dramatik. Und als ich mich brüllend im ekstatischen Siegesrausch zur Seite drehe, blickte ich in ein fassungsloses Gesicht: „Ich habe es nicht gesehen!“

Im dritten Spiel geht es nun also wieder um alles. Auch für Schweden. Ich würde es Ihnen gönnen. Mexiko auch, die haben schöne Trikots. Hingucken!


Text: Maik Fischer
Illu: Marc Ramage

Montag, 25. Juni 2018

Echte Typen

Endlich! Die WM hat nun auch für den Weltmeister angefangen. So scheint es zumindest. Gegen Mexiko stimmte nichts. Weder die Einstellung noch das Ergebnis. Doch am letzten Samstag als wir gegen Schweden spielten, da war es wieder zu spüren: dieser Kampfgeist und absolute Siegeswille, der uns vor vier Jahren zum Weltmeister machte. Die Mannschaft strotze vor Selbstvertrauen. Und einer ganz besonders: Toni Kroos. Eigentlich ein Mann der leisen und besonnen Worte. Immer beherrscht, diszipliniert und fair. Am Samstag war er der Führungsspieler den Deutschland brauchte. Ein echter Typ eben, der auch nach dem Spiel deutliche Worte fand. Aber alles von Anfang an und der Reihe nach.
Die erste Halbzeit war zum Vergessen. Auch für Toni Kroos. Er spielte in der 32 Minute den fatalen Fehlpass, der sofort bestraft wurde. Schweden blieb eiskalt und ging in Führung. Dass Sebastian Rudy mit blutender Nase vom Platz musste, blieb am Ende der ersten Hälfte eher eine Randnotiz.
Doch der Weltmeister kam wieder – und wie. Marco Reus brachte unser Team zurück ins Spiel und traf zum 1:1. Dann nahm die Partie erst richtig Fahrt auf. Die Deutschen verschärften das Tempo, blieben allerdings nicht fehlerfrei. Aber Körpersprache und vor allem Einstellung stimmten nun endlich. Doch nach neunzig Minuten war man durch Boatengs Platzverweis nur noch zu zehnt und fast aus dem Turnier raus. Aber unsere Jungs warfen alles rein, was sie hatten, und gingen am Ende als verdiente Sieger vom Platz – dank Toni Kroos. Aus einem fast unmöglichen Winkel verwandelte er in der 95 Minute zum 2:1. Es war ein absolutes Traumtor.
Wie eingangs erwähnt, fand der Spielmacher auch nach dem Sieg deutliche Worte. Angesprochen auf seinen Fehlpass aus der ersten Hälfte entgegnete er: „Wenn du im Spiel 400 Pässe spielst, dann kommen zwei nicht an.“ Und er machte klar, dass es nicht um Fehler geht, sondern um die Art, wie man damit umgeht. Toni Kroos formulierte es allerdings eher so: „Du musst dann auch die Eier haben, dann so eine zweite Halbzeit zu spielen.“
Spielerisch und verbal selbstbewusst: das kennt man eigentlich von einem ganz Anderen, der an diesem Abend nicht dabei war. Die Rede ist, wie kann es anders sein, von Zlatan Ibrahimovic. Wie die Niederlande und Italien hatte auch er es nicht zur WM geschafft. Leider muss man sagen. Denn der Fußball lebt von eben diesen Spielern, die sich alles zutrauen und alles sagen. Sie sorgen für Spannung und Dramatik, bringen uns zum Staunen und manchmal zum Verzweifeln. Immer polarisierend, immer an der Grenze. Auf dem Platz und daneben. Echte Typen halt.
2014 sagte Ibra einmal, dass man eine WM ohne ihn eh nicht sehen muss. Allerdings wäre das am Samstagabend wirklich schade gewesen. Denn dann hätte man auch diesen „zlatanierenden“ Toni Kroos verpasst. Führungsspieler und – um es mit so bescheidenden Worten wie Zlatan zu sagen – nebenberuflicher Fußballgott.

Text: Carsten Wodtke (Idee von Maik Fischer)
Illustration: Marc Lewis Ramage

Freitag, 22. Juni 2018

Die Wikinger kommen.


Die Isländer ziehen aufs Feld. Und das ist schon etwas ganz besonderes für unsere Freunde aus dem Norden. Denn: Sie nehmen zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft teil – und das mit Freude und Fußballleidenschaft.
Aber bevor wir uns ihr zweites Spiel auf großer Bühne anschauen, sollte man ein paar Fakten über die Isländer wissen. Legen wir los!
Islands Trainer, Heimar Hallgrimsson, ist nicht nur der Trainer der Isländer, sondern auch noch Zahnarzt. Die Mannschaft ist also bestens versorgt und glänzt nicht nur mit Leistung auf dem Spielfeld.
Der Torwart der Mannschaft, Hannes Halldórsson, beeindruckt auch abseits des Platzes: Er ist Filmemacher. Im ersten Spiel hielt er sogar einen Elfmeter vom großen Star, Lionel Messi, und brachte diesen in der 64 Minute damit zur Verzweiflung.
Die Nordmänner überzeugen übrigens auch auf ganz andere Weise: Der Flügelstürmer, Rúrik Gíslason, wurde gegen Argentinien in der 63 Minute eingewechselt und eroberte im Nu die Herzen tausender Südamerikanerinnen. Nach dem Abpfiff wuchs die Anzahl seiner Instagram-Follower von anfänglich 40.000 auf über 60.0000. Ganz nebenbei, den Hashtag zum Hype rief sein Teamkollege, Kári Àrnason, ins Leben: Ein Mannschaftsfoto der Isländer kommentierte dieser mit den Worten: „Lets do this #sexyrurik“.
Das Island – im Vergleich zu allen anderen WM-Teilnehmern – wenig Einwohner hat, ist wohl bekannt. Aber wussten Sie, dass es auf Island mit 500.000 Schafen mehr Schafe als Menschen gibt? Island hat 334.000 Einwohner, von denen schon alleine 120.000 in der Hauptstadt Reykjavík leben.
Damit kommen wir zu unserem letzten Fakt: 20 Prozent der Isländer haben sich für WM-Tickets beworben. Das ist eine ganze Menge – aber sie sind ja auch zum ersten Mal dabei. Und das berühmte „Huh!“ – den Viking Clap – wollen wir nicht missen.
Nun haben wir uns ein bisschen mehr über unsere Isländer informiert und ich denke, sie sind jetzt schon die Gewinner des Sympathie-Preises der WM 2018.
Also „Huh!“ und ran an den Ball Isländer!

Zusätzliche Fun Facts zu Island:
Seit dem Wirtschafts-Crash von 2009 gibt es auf Island keinen McDonald´s mehr. Der letzte verkaufte Burger kann auf einer Webcam besichtigt werden.
Eine Mehrheit der Isländer glaubt an Elfen, Geister und Trolle. Die Regierung hat eine offizielle Beauftragte für Elfenfragen: Erla Stefánsdóttir.

An Orten, an denen Elfen vermutet werden, wird nicht gebaut. Auch Straßen werden drum herum geführt.

Text: Marc Ramage

Illus: Marc Ramage